Es gibt Öcher:innen, die wollen mittendrin sein, wenn es wächst und sprießt. Draußen auf dem Mietfeld, im Gemeinschaftsgarten in der Innenstadt oder im Kleingartenverein. Wir haben drei grün-bunte Orte besucht und die Menschen getroffen, die dort säen, gießen und ernten.
Ackern auf dem Mietfeld
Georg Meiners und Anna-Maria Bartsch wollen am Wochenende für Freunde backen. Deswegen fahren sie am Donnerstagmittag mit dem Fahrrad noch raus aufs Feld, zum Gut Hebscheid. Hier steht eine grüne Eiche am Ende des Landstrichs, der von buntem Gemüse nur so strotzt. Heute ist Mangold reif. Der passt prima in die Gemüsequiche. „Das Feld“, so nennen Georg und Anna-Maria ihre 30 Quadratmeter Acker, ziemlich mittig auf dem großen Grundstück.
An einem Spalier mit bunten Flatterbändern ist schon von Weitem zu erkennen, wo die beiden etwas angebaut haben. Das Ehepaar pachtet diesen Teil des Feldes für eine Saison. Dazu weitere Reihen im Folientunnel. Der Tunnel ist ein wahres Gewächshaus: Hier drinnen ranken Bohnen und sprießen Zucchini. Tomatenpflanzen blühen, um Insekten zum Bestäuben anzulocken.
„Das hier macht Mühe, da gibt es kein Vertun. Aber es lohnt sich.“
Georg Meiners
Die Folie speichert die Wärme der Sonne und hält sie im Inneren. „Das ist jetzt der fünfte Sommer, in dem wir auf Gut Hebscheid anbauen, was uns schmeckt“, berichtet Georg und kniet im erdigen Boden. „Das hier macht ganz schön viel Arbeit“, knurrt er noch, aber sein Grinsen sagt „Ich liebe es“. Er hat jetzt im Alter mehr Zeit. Die verbringen er und seine Frau gerne hier draußen. Genau wie ihr Hund Lotti. Die mag das auch.
Das Gut Hebscheid im Süden Aachens bietet seit vier Jahren diese Art von Gartenbau für Öcher:innen. Das Gut wird von der gemeinnützigen GmbH Via Integration betrieben. Hier arbeiten Menschen mit und ohne Handicap für nachhaltigen Bio-Anbau – ein inklusives Projekt also. Die Ernte wird in den Bioläden der Region und auf dem Hof verkauft. Die freie Fläche hinter dem Gut besteht aus dem Folientunnel mit Bewässerung und einem 4.000 Quadratmeter großen Feld.
Derzeit gibt es fast 100 Gärtner:innen, die für den Eigenbedarf anbauen. Pro Saison und Fläche zahlen sie einen festen Betrag. Das Lebensgefühl, das man dafür bekommt, sei aber unbezahlbar, findet Anna-Maria. Sie sieht das Unkraut, das muss dringend weg – ein fester Ruck reißt es aus dem Boden. Ihr Mann holt die Schubkarre, die für alle, die sie brauchen, am Feldrand steht.
Anna Radoń ist auch kurz da. Sie hat Mittagspause und will gießen. Eigentlich, dachte sie, würde es heute noch regnen. Tut es aber nicht. Von Weitem schon sieht sie Silvia Steffens. Die beiden kennen sich, weil sie manchmal zur selben Zeit hier sind. Dann tauschen sie sich über die Ernte aus und über den gemeinen Kartoffelkäfer, der auf den Blättern der Kartoffelpflanze sitzt. „Den will hier wirklich niemand haben“, sagt Anna. „Der frisst alles kahl.“ Chemische Bekämpfung braucht der Käfer allerdings nicht fürchten. Denn auf Gut Hebscheid ist alles bio. Nur auf die flinken Finger der Ökogärtner:innen muss er achtgeben.
Die Gärtner:innen teilen sich das Feld und verlassen sich darauf, dass das Gemüse nicht nur lecker, sondern auch gesund ist. Anna sagt: „Ich freue mich schon auf die ersten kleinen Datteltomaten, die sind so aromatisch. Ein Riesenunterschied zum Supermarktgemüse. Wir ernten sie erst, wenn sie richtig reif sind.“ Bis dahin muss sie sich noch etwas gedulden.
Auf dem gepflasterten Boden vor dem Folientunnel gibt es Hochbeete. Dort streicht Jürgen Müller gewissenhaft mit der Harke durch die Erde. Er kann sein Beet gut erreichen und mit seinem Rollstuhl ganz nah ranfahren. „Es ist toll, dass ich jetzt auch selbstbestimmt gärtnern darf“, sagt Jürgen. Dafür hat er sich eingesetzt. Die Hochbeete für Rollstuhl- oder Rollatorfahrer:innen gibt es seit 2020. Seitdem ist auch Jürgen ein stolzer Ökogärtner. Heute gibt das Beet Frühlingszwiebel und Kohlrabi her.
Anpacken im urbanen Garten
Mitten in der Stadt ist der Kohlrabi prall und schimmert hell oder violett. Seine großen Blätter streckt er in die Mittagssonne. Zwischen einem Spielplatz, Häuserblocks und parkenden Autos ist der Gemeinschaftsgarten HirschGrün zu finden. Holzlatten halten hier die Erde in den selbstgebauten Beeten zusammen. Darin wachsen Kohlrabi, Kräuter, Karotten oder Gurken. Auf der anderen Seite eines kleinen Weges, inmitten einer Wiese mit hohen Gräsern und Blumen, stehen zwei Bienenstöcke.
„Wir haben Lust auf Natur und Vielfalt.“
Andrea Springer-Ranft
Andrea Springer-Ranft und Krystyna Rütten haben diesen Gemeinschaftsgarten mit sechs weiteren Öcher:innen gegründet – mitten in der Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Dom. Weil sie schon seit Langem hier wohnen und weil vor mehr als zehn Jahren dort, wo jetzt das Grün sprießt, ein marodes Gebäude abgerissen wurde.
„Hier war eine triste Fläche, sonst nichts. Genau die konnten wir für unser Gartenprojekt pachten“, sagt Andrea. Die Gruppe klemmte sich hinter diesen Wunsch und ließ Worten Taten folgen. Sie schrieben Anträge, fanden Förderer und Fördertöpfe und gründeten im April 2013 einen Verein. „Wir sind in diesem Sommer eine bunt gemischte Gruppe von 15 Leuten, die zum Beispiel aus dem Iran, Brasilien, Syrien, China und Indonesien stammen“, sagt Andrea. „Alle haben Lust auf Natur und Vielfalt.“
Jäten im Kleingarten
Im Kleingartenverein in der Eupener Straße liegt Lavendel in der Luft. Dazu ein Hauch Erdbeerduft. Auf der Steinplatte im Beet liegt eine sehr reife Erdbeere. Jemand muss draufgetreten sein. Macht nichts, die Ameisen freuen sich.
Frank Tomaszewski, Marion Klerx und Eva-Maria Wagner sind befreundet. Sie teilen sich die Arbeit und den Genuss des Feierabends im kleinen Garten Nummer 55. Bevor sie sich hier zusammenschlossen, kannten sie sich nur flüchtig. Weil Frank den Garten lieber in Gesellschaft pflegen will, hat er sich im Bekanntenkreis umgehört und auf diesem Weg Eva-Maria und Marion gefunden.
„Es ist toll, zu sehen, wie sich alles über das Jahr verändert.“
Eva-Maria Wagner
Seit drei Jahren treffen sie sich meistens freitagsnachmittags. Alle packen mit an. Eva-Maria weiß einen guten Grund, warum sie das macht: „Jedes Mal, wenn ich hier gewesen bin, geht es mir richtig gut.“ Am meisten mag sie, das eigene Obst zu kochen und in Einmachgläser zu füllen. Als Marmelade zum Beispiel. Zum Verschenken oder um auch im Winter etwas vom Garten zu haben.
Wenn Frank nicht gerade jätet, meditiert er im Grün. Abends wird der Garten manchmal zum Treffpunkt für Freunde und Familie – wenn es spät und kühl wird, kann man es sich in der Laube bequem machen.
In den 73 Parzellen des Vereins sind die Regeln des Bundeskleingartengesetzes einzuhalten: Jeder Garten soll ein Drittel Nutzgarten, ein Drittel Blumen und ein Drittel Rasen haben. Und es gibt ungeschriebene Gesetze: Schnecken wirft man nicht über den Zaun zum Nachbarn und Teilen macht Spaß. Es gibt eine Tauschbörse für Blümchen und Pflänzchen. Denn es passiert dann und wann, dass eine:r braucht, was der:die andere loswerden möchte.
Drei Modelle fürs gemeinsame Gärtnern
Das Mietfeld
Jedes Jahr im September und Oktober werden die Teilflächen des Feldes neu verpachtet. Für eine Saison, von März bis Oktober des darauffolgenden Jahres, darf dort jede:r anbauen, was einjährig und bio ist. Im Spätherbst wird das Feld umgegraben und der Kreislauf beginnt von Neuem.
Bei Interesse gerne im September und Oktober 2021 anrufen oder eine E‑Mail schreiben.
Adresse:
Gut Hebscheid
Grüne Eiche 45
52076 Aachen
Kontakt:
anbau@via-aachen.de
Telefon 0241 6000715
Der urbane Garten
Jeder kann mitmachen. Einfach am zweiten oder vierten Montag eines jeden Monats um 18 Uhr zum Garten kommen und die anderen Gärtner:innen treffen.
Adresse:
HirschGrün Urbane Gemeinschaftsgärten Aachen e. V.
Richardstraße 7
52062 Aachen
Infos und Kontakt:
Der Kleingartenverein
Schrebergärtnern für Fortgeschrittene. Hier gibt es mehrere Jahre Wartezeit, bis ein eigener Garten frei werden könnte. Manchmal suchen eingefleischte Gartenbesitzer:innen aber auch Hilfe. Jede:r ist willkommen, darf zu Besuch kommen und die schmucken Gärten bestaunen.
Adresse:
Dauergartenverein Eupenerstraße 1947 e. V.
Eupener Str. 2 c
52066 Aachen
Kontakt:
Telefon: 0176 70011524