Licht für die ganze Stadt: Gerhard Klöfkorn knipst in Aachen die Lampen an. Das ist manchmal ganz schön knifflig.
Gerhard, du bist hier in einem sogenannten Angstraum. Was ist das?
Das hier ist die Unterführung in der Wüllnerstraße. Besonders nachts will hier niemand mehr durchlaufen – alles schmuddelig und finster. Wir Beleuchter nennen solche Orte in der Stadt Angsträume.
Was tust du, damit sich die Aachener und Aachenerinnen hier wieder wohlfühlen?
Ich bin bei der STAWAG zuständig für die Beleuchtung der Stadt und bringe sozusagen Licht ins Dunkle. Die Stadt Aachen hat uns beauftragt, dem Angstraum W üllnerstraße den Schrecken zu nehmen. Zuerst hat der Künstler Señor Schnu die Wände neu gestaltet. Ich tüftele jetzt daran, die Unterführung und das Kunstwerk so auszuleuchten, dass die Situation einladend statt beklemmend wirkt.
Was musst du dabei beachten?
Wir bringen zehn Strahler an. Das ist die Menge an Licht, um die Unterführung optimal auszuleuchten. Señor Schnu als Künstler hat natürlich eigene Vorstellungen davon, welches der Motive in welchem Licht erscheinen soll. Hier ist der Dialog wichtig: Bei vielen Projekten ist es gut, miteinander zu sprechen und aufeinander zuzugehen. Im Ergebnis sollen Licht und Kunstwerk so zusammenspielen, dass aus der Unterführung ein interessanter und freundlicher Ort wird.

„Auch in fremden Städten schau ich immer nach dem Licht.“
Gerhard Klöfkorn
Wo lässt du es noch leuchten?
Ich bin auch zuständig für die zahlreichen Objekte, die nachts von Lampen angestrahlt werden. Also das Rathaus, der Dom, das Theater, Kirchen, Brunnen und vieles mehr. Hier geht es nicht einfach nur darum, alles hell zu machen. Sondern darum, mit Licht zu gestalten. Dafür entwickle ich gemeinsam mit Architekten, Denkmalpflegern und den Eigentümern passende Beleuchtungskonzepte.
Was musst du dabei bedenken?
Beleuchtung kann ganz unterschiedlich wirken. Ich frage mich dann: Wie hell soll es sein? Welche Farbtemperatur ist passend – also eher gelb und warm oder weiß und kühl? Wie sehen die Wände aus und wie ist die Struktur des Gebäudes, das ich beleuchten will? Eine glatte Wand muss ich anders beleuchten als eine mit vielen Nischen und Vorsprüngen.
Knifflig wird es, wenn es um historische Gebäude und Kirchen geht. Die Mitarbeiter der Denkmalpflege mögen es gar nicht, wenn sie nachts anders wirken als tagsüber. Die Scheinwerfer müssen quasi unsichtbar angebracht werden. Auch sollen Licht und Schatten keine Struktur zaubern, die es eigentlich nicht gibt. Und bei all dem soll die Beleuchtung ins Gesamtbild der Stadt passen.
Woher weißt du, ob dein Lichtkonzept passt?
Meistens kann ich mir das Ganze schon recht gut vorstellen. Oft bin ich aber mit Kollegen vor Ort und probiere die Lichtwirkung aus. Einige Architekten simulieren das auch auf dem Computer. Das hat aber seine Tücken, denn kein Gebäude – schon gar kein historisches – ist komplett gerade. Was am Computer passt, kann in der Realität falsch aussehen.
Ein Beispiel: Wer sich die Bodenscheinwerfer der Annakirche ansieht, könnte auf die Idee kommen, dass diejenigen, die sie angebracht haben, einen im Tee hatten. Sie liegen nicht exakt auf einer Linie. Tatsächlich haben wir jeden Scheinwerfer so ausgerichtet, dass an den barocken Fenstern der Schlagschatten genau symmetrisch verläuft. Und weil die Wände nicht gerade sind, ist es die Anordnung der Scheinwerfer auch nicht.


Machst du dir auch bei der normalen Straßenbeleuchtung so viele Gedanken?
Auch dort gibt es einiges zu beachten. Wir haben rund 23.000 Lichtpunkte in Aachen. Die beleuchten entweder Gebäude oder ganz einfach die Straßen. Bei der Straßenbeleuchtung geht es einerseits um die Sicherheit der Menschen, klar.
Aber es geht eben auch um Nachhaltigkeit, also zum Beispiel schlicht darum, Strom zu sparen. Wir setzen mittlerweile ausschließlich energiesparende LEDs ein. Die müssen zwar kontrolliert und regelmäßig gereinigt werden, halten aber stattliche 25 Jahre. Außerdem haben sie den Vorteil, dass sie sich bedarfsgerecht dimmen lassen und wir die Helligkeit individuell regeln können.
Warum ist die Lichttemperatur wichtig?
Lichttemperatur wird in Kelvin gemessen. Je weißer das Licht ist, desto weniger Strom braucht die Lampe. Und da kommt man ins Abwägen.
Was gibt es da abzuwägen?
Energie sparen oder wohlfühlen. Es gibt Städte, die beleuchten mit 5.000 bis 6.000 Kelvin. Da ist das Licht dann sehr hell und fast blau – gut für den Stromverbrauch. Der Mensch fühlt sich aber bei warmweißem Licht wohler, und das ist schließlich auch wichtig. Wir setzen in der Altstadt deshalb ein warmweißes Licht mit 3.000 Kelvin ein. Das ist auch für die Aachener Insekten gut.
Für die Insekten?
Ja, auch die sind wichtig. Die schwirren schließlich nachts um die Lampen und viele gehen dabei zugrunde. Wenn wir wärmeres Licht mit weniger Blauanteil einsetzen, zieht das die Insekten nicht mehr so stark an. Und mehr von ihnen überleben die Nächte.
Hörst du denn wenigstens in deiner Freizeit auf, über Licht nachzudenken?
Nee (lacht). Wenn ich in anderen Städten unterwegs bin, knufft mich meine Frau schon mal, weil ich meistens nach oben sehe. Das Licht in Städten finde ich einfach spannend. Es gibt nur ein Licht, das mich noch mehr fasziniert: das der Sterne.
Mehr von Señor Schnu
Die Werke von Señor Schnu kannst du vom 18. September bis 3. Oktober 2021 auch bei einer Ausstellung sehen:
Grow up! – They said
digitalHUB Aachen e. V.,
Jülicher Straße 68
52070 Aachen
Infos unter:
www.senorschnu.com
www.aachen.digital/events