Die Glück BringerGekommen, um zu geben

Wir treffen sie im Alten­heim, im Kran­ken­haus oder im Schul­un­ter­richt. Sie machen die Gedanken heller, verschenken gute Gefühle oder bringen anderen etwas bei – Öcher:innen, die sich kümmern. Und dorthin gehen, wo etwas fehlt.

Anna Scholten hat kalte Hände. Sie ist gerade mit dem Fahrrad über die Hörn gefahren, zum Unikli­nikum. In ihrer Tasche Schminke und Klamotten, denn gleich nach dem Kaffee in der Kantine verwan­delt sie sich in Vilma. Eine Clownin. Vilma besucht alle paar Wochen die kranken Kinder in der Klinik. Sie trägt eine rot-weiß gepunk­tete Jacke, einen rosa Tüll­rock und funkelnde Gummi­stiefel. Um ihren Hals schlän­gelt sich neben einer dicken Perlen­kette glit­zerndes Lametta und, na klar, sie hat eine kugel­runde rote Nase mitten im Gesicht.

„Durch die Kinder weiß ich, wie ich mich als Clownin verhalten kann. Sie führen die Regie.“

Anna Scholten

Auf dem Flur trifft sie auf die erste kleine Pati­entin. Sie geht in die Hocke, um mit der Zwei­jäh­rigen auf Augen­höhe sein zu können. Das Kind macht die Bewe­gungen der bunten Clownin nach. Sie verstehen sich ohne ein einziges Wort. Es gibt kein Schema F, nach dem die Clownin vorgeht. „Die Kinder sind dieje­nigen, die Regie führen. Nur durch sie weiß ich, wie ich mich verhalten kann“, erklärt Anna das, was da gerade passiert.

Niemand weiß, woher sie kommen

Anna ist nicht allein unter­wegs. Lott, eine andere Klinik-Clownin, ist bei ihr. Denn das Spiel funk­tio­niert besser zu zweit. Die beiden sind etwas schus­selig und finden sich und andere sehr schön. Das betonen Vilma und Lott gerne und laut. Nachdem sie sich ihre roten Nasen an der Glastür vor den Kran­ken­zim­mern platt­ge­drückt haben, um zu sehen, ob dies ein guter Moment für einen Besuch ist, treten sie ein. Niemand weiß genau, woher sie kommen und wohin sie gehen. Fragt eines der Kinder danach, holen die Clow­ninnen eine über­di­men­sio­nale Land­karte der ganzen Welt heraus, die sie falsch herum halten. Umständ­lich erklären sie, wohin sie weiter­ziehen wollen, und es sieht so aus, als ginge es gera­de­wegs ans andere Ende der Welt.

Takt­voll bleiben Vilma und Lott vor der Zimmertür, bis jemand sie rein­bittet.

Ben war soeben allein und ihm war ein biss­chen lang­weilig. Aber damit ist jetzt Schluss.

Auf der über­di­men­sio­nalen Land­karte kann man erkennen, wohin die Clowns als nächstes gehen. Oder auch nicht.

Vilma und Lott sind auf dem Weg zu einer anderen Station im Unikli­nikum, auf der auch kranke Kinder liegen.

Ein Junge möchte seine Süßig­keiten mit dem freund­li­chen Besuch teilen und wirft eine Hand­voll bunter Bonbons in Lotts Tasche. Fast in jedem Zimmer stellen die Kinder die Namen ihrer Kuschel­tiere vor, und dann sind sie auch schon mitten­drin in ihrem kleinen selbst insze­nierten Thea­ter­stück. Vilma und Lott spielen Luft­gi­tarre und singen. Vilma hat auch eine kleine Spieluhr, aus der eine ganz wunder­bare Melodie erklingt, wenn sie daran kurbelt. Liegt in einem Zimmer ein schwer erkranktes Kind, sind sie ganz und gar nicht mehr albern, sondern ganz behutsam und liebe­voll. Mit ihrer Zauber­haf­tig­keit und ihrem Glanz schenken sie den Kindern und ihren Eltern ein paar Minuten, in denen sie Schmerz und Sorgen ausblenden. Wenn die Klinik-Clowns das Zimmer wieder verlassen, lassen sie jedes Mal etwas da. Einen kleinen Stern, den sie dem Kind in die Hand drücken oder ans Bett kleben. Und ein glit­zerndes kleines Herz für die Eltern, die ohne große Worte Wert­schät­zung und Mitge­fühl durch die Clow­ninnen erfahren.

Heute wird gega­ckert

In der Tages­pflege St. Hubertus in Roetgen trudeln wie jeden Wochentag um acht Uhr etwa 18 Gäste ein. Zwar wohnen alle im eigenen Zuhause, aber sie verbringen einen oder mehrere Tage pro Woche hier in der betreuten Pflege. Viele sind schon etwas älter, die meisten dement. Sie treffen hier andere Menschen in ähnli­chen Situa­tionen. Die Pfleger:innen sind für ihre Gäste da und unter­halten sie auch: Es gibt Gymnastik und Spiele, Vorle­se­stunden aus der Zeitung, es wird gesungen, gemeinsam gegessen und wenn nötig auch mal etwas ausge­ruht. Was die meisten über­ra­schen wird: Heute kommt Birgit Brammertz zu Besuch und bringt zwei Hennen mit.

 „Ich erkenne am Huhn, wie es den Menschen geht.“

Birgit Brammertz

Birgit findet, dass Hühner alles andere als dumm sind. Und ist auf die Idee gekommen, dies auch anderen zu zeigen und zu erzählen. Deswegen hat sie ihre Zwerg­hühner Gisela und Helene gezähmt und an Menschen gewöhnt. Jetzt sind sie so zutrau­lich, dass sie gerne auf dem Schoß sitzen und ange­fasst werden. Wie echte Thera­pie­hühner eben. Birgit sagt: „Die Älteren besuche ich sehr gern mit meinen Hühnern. Die Tiere erin­nern sie oft an eine frühere Zeit in ihrem Leben, gerade hier im länd­li­chen Raum.“

Birgits Zuschauer finden sich in einem Stuhl­kreis zusammen. Birgit spricht alle nach­ein­ander persön­lich an, zeigt ihnen, was Hühner essen, wer ihre natür­li­chen Feinde sind und wie die Eier aussehen, die sie legen. Es wird viel gelacht und jede:r redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Eine Frau beschwert sich, dass sie kaum etwas hören kann, ein anderer, dass er nichts sieht. Die Menschen sind aufgrund ihres Alters einge­schränkt.

Birgit und ihr Huhn Gisela sind seit sieben Jahren ein gutes Team. Sie besucht die Tages­pflege St. Hubertus mit zwei Zwerg­hüh­nern: Gisela und Helene.

Um zu zeigen, was Hühner so picken, hat Birgit Futter mitge­bracht und zeigt es der Reihe nach herum.

Birgit plau­dert mit Hedwig und Georg. Helene sitzt derweil auf Hedwigs Schoß.

Inge­borg flüs­tert dem Huhn beru­hi­gende Worte zu.

Birgit steht in der Mitte ihrer Zuhörer:innen und hat sicht­lich Spaß bei der Arbeit. Das über­trägt sich auch auf die anderen im Raum.

Doch jetzt ist erstmal genug erklärt und erzählt. Birgit nimmt die Hennen aus dem Trans­port­korb und zeigt den stau­nenden Senior:innen die echten Tiere. Irmgard will, dass das Huhn auf ihrem Schoß sitzt. Sie hat keine Angst, dass es pickt, und die Federn fühlen sich schön weich an. Birgit beob­achtet, wie die beiden beiein­an­der­sitzen, und sagt: „Das Verrückte ist, ich erkenne am Huhn, wie es dem Menschen geht, der es anfasst. Ist der Mensch entspannt, entspannt sich auch das Tier. Gibt es ein Unwohl­sein, dann meist auf beiden Seiten.“ Irmgard und das Huhn Gisela werden ganz ruhig.

Als Birgit mit Gisela und Helene wieder nach Hause fährt, damit sie im großen Garten frei umher­laufen können, steht in der Tages­pflege schon das Mittag­essen auf dem Tisch. Die meisten der Gäste können sich im Laufe der nächsten Stunden kaum noch an Birgit und die Hühner erin­nern. Aber das gute Gefühl der Nähe und der Wärme, der Bestä­ti­gung und der Verant­wor­tung, die sie getragen haben, spüren sie wahr­schein­lich noch länger in sich.

Johannes macht den Frosch

Johannes Blum ist ein guter Schwimmer. Seit 50 Jahren schon liebt er das Wasser und geht oft schwimmen. Vor sieben Jahren hat er sich vorge­nommen, sein Wissen weiter­zu­geben. Er will Kindern, die noch nicht oder nicht so gut schwimmen können, beibringen, sich im Wasser zu bewegen. „Schwimmen zu lernen ist eine wich­tige Entwick­lung im Leben und echte Körper­er­fah­rung“, weiß Johannes. Damit er den Kindern das Schwimmen dort beibringen kann, wo sie ohnehin sind, begleitet er die Lehrerin Daniela Fohrer der Grund­schule Drie­scher Hof beim Schwimm­un­ter­richt. Orga­ni­siert hat das die Schwimm­of­fen­sive „Aachener Kids auf Schwimm­kurs“ des Dach­ver­bands Stadt­sport­bund Aachen mit Unter­stüt­zung der Stadt Aachen, Fach­be­reich Sport.

„Schwimmen zu lernen ist eine wich­tige Entwick­lung im Leben und echte Körper­er­fah­rung.“

Johannes Blum

An diesem Morgen ist es um kurz vor neun draußen immer noch minus sieben Grad. Aber die Sonne scheint und lässt das Wasser an den dunkel­blau geka­chelten Wänden der Schwimm­halle Brand schim­mern. Johannes schließt sein E‑Bike vor der Halle ab. Von Korneli­münster, wo er wohnt, bis hierher war es nicht weit. Und gleich kommt auch schon der Schulbus mit den Kindern. Auf dem Stun­den­plan der dritten Klasse steht Schwimm­un­ter­richt. Da hätte die Lehrerin allein mehr als ihre zwei Hände voll zu tun. Deswegen kommt ja Johannes mit. Eigent­lich ist er Elek­triker, dann arbei­tete er in der Betreuung in einer Offenen Ganz­tags­schule, jetzt ist er im Ruhe­stand. Aber eben auch Übungs­leiter beim Stadt­sport­bund. Gut für die Kinder.

13 von ihnen trip­peln jetzt am Becken­rand entlang Rich­tung Bock. Von hier aus springen sie rein ins 27 Grad kühle Nass. Wer nicht schwimmen kann, hat eine Schwimm­hilfe um den Bauch gebunden und hält sich an einem Styro­por­brett fest. Johannes passt auf, dass sie die Bewe­gungen richtig ausführen. Er sagt: „Für manche ist es gar nicht so einfach, einen anstän­digen Frosch zu machen. Sie können das Gehörte nicht in eine Bewe­gung umsetzen. Dann muss ich es ihnen zeigen.“ Das kann er am besten vom Becken­rand aus. Er bewegt eines seiner Beine wie ein Frosch beim Schwimmen. Auf dem anderen muss er schließ­lich stehen. „Ins Wasser gehe ich nicht“, sagt Johannes grin­send, „da wird mir zu kalt. Schließ­lich habe ich drei Schul­stunden mit verschie­denen Klassen hinter­ein­ander.“

Johannes Blum ist Schwimm-Übungs­leiter für kleine Schwimmer:innen und steht am Becken­rand der Schwimm­halle Brand.

Wie die Bewe­gungen sein sollen, zeigt Johannes mit seinen Armen. Einmal den Kindern an Land.…

.…und später den Kinden im Wasser.

Ob Nicht­schwimmer oder Schwimm­an­fänger: Johannes hat genug Geduld für alle.

Johannes ist die Ruhe selbst. Diese Ruhe gibt er an die Kinder weiter. Wenn eines der Kinder sich nicht über­winden kann, ins Wasser zu springen, gibt es keine Hektik und keinen Druck. Geduldig schaut Johannes zu, wie ein Junge am Becken­rand zögert, und ermu­tigt ihn zum Schritt nach vorn. Als der Acht­jäh­rige sich auf seinen Hintern setzt und auf diese Weise ins Wasser gleitet, kann er das auch gut verstehen und ruft: „Viel­leicht dann in der nächsten Woche!“


Dürfen wir vorstellen? Die Öcher:innen, die sich um ihre Mitmen­schen kümmern:

Anna und der Verein Klinik-Clowns Aachen e. V.

Anna Scholten (42) ist Schau­spie­lerin und Klinik-Clownin beim Verein Klinik-Clowns Aachen e. V. Den Verein gibt es seit 2008, er finan­ziert sich durch Spenden. Neben Anna gibt es sieben weitere ausge­bil­dete Klinik-Clowns, die auf Hono­rar­basis stun­den­weise diesen Beruf ausüben. Als Anna noch jung war, machte sie eine Ausbil­dung zur Kran­ken­pfle­gerin. Sie selbst nimmt an solch einem Tag als Clownin für Kranke und Alte viel Energie mit nach Hause, weil ihr ein Lächeln oder eine Geste sehr viel zurück­gibt.

Birgit und die Caritas-Tages­pflege St. Hubertus in Roetgen

Birgit Brammertz (56) hat ihre Hühner an Menschen gewöhnt. Sie sind jetzt so zutrau­lich, dass sie gerne auf dem Schoß sitzen und ange­fasst werden. Die Hühner wohnen in Birgits großem Garten in Schmithof und können dort herum­laufen. Gisela ist fast sieben, Helene bald fünf Jahre alt. Nachts schlafen sie im Garten­haus. Birgit lacht viel und gerne – auch über sich selbst. Die alten Menschen erreicht sie mit Hilfe der Hühner auch, wenn sie von der Außen­welt eher abge­kap­selt sind. Das macht Birgit zuver­sicht­lich und froh.

Johannes und der Stadt­sport­bund Aachen e. V.

Johannes Blum (64) geht in der Schwimm­halle Brand schon seit Jahren ein und aus. Er macht beim Projekt „Aachener Kids auf Schwimm­kurs“ mit, weil er Kinder dabei unter­stützen will, möglichst früh das Schwimmen zu lernen. Dafür hat der Dach­ver­band Stadt­sport­bund ein Netz­werk von Schulen geknüpft und 13 Übungsleiter:innen ange­stellt, die wie Johannes Blum auf Stun­den­basis den Schwimm­un­ter­richt der Schulen begleiten. Das Projekt star­tete 2017 mit acht Grund­schulen. Aktuell erhalten 21 Grund­schulen und vier weiter­füh­rende Schulen wöchent­lich Unter­stüt­zung beim Schwimm­un­ter­richt. Johannes findet es gut, regel­mäßig hier zu sein, um Kinder im ersten Schritt an das Wasser zu gewöhnen, damit sie das Schwimmen lernen.


Gleich weitersagen!


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