Sehen, hören, mitmachen: Yorgos Theodoridis besucht mit dem TanztheaterMobil die Schulen der Region und begeistert Kinder für Bewegung und Rhythmus.
Der Turnhallenboden bebt, als es die Kinder nicht mehr auf ihren Bänken und Matten hält. Sie hüpfen nach vorne. Dahin, wo gerade eben noch die Bühne war. An diesem Morgen macht das Tanztheater in der Gemeinschaftsgrundschule Schönforst im Stadtteil Rothe Erde 56 Kinder mobil.
Zwei Stunden zuvor zieht sich Samuel Reissen sein rotes T‑Shirt über, Theano Makariou-Kanonis das grüne mit den langen Ärmeln. Keine eleganten Kostüme, einfache Kleidung, die jeder hat. Während sie ihre Muskeln dehnt, um sich aufzuwärmen, spielt er sich schon mal ein.
„Die Kinder werden neugierig und verlieren ihre Scheu.“
Yorgos Theodoridis
Hinter zwei grünblauen Küchenschränken schlägt Samuel die ersten Takte mit einem Kochlöffel und asiatischen Essstäbchen wechselnd auf Schüsseln, Dosen und eine Maschine, die früher einmal Kaffeebohnen mahlen konnte. Sie eignet sich hervorragend für ein Geräusch, das er für den Beat braucht.
Der schallt zunächst einsam durch die Turnhalle. Yorgos Theodoridis muss noch die Bühne einrichten, bevor die kleinen Zuschauer kommen. Er hat das Tanztheater schon oft aufgebaut. An vielen Orten. Denn es ist ein mobiles Tanztheater.
Höre dir hier Samuels Küchenbeats an.
Yorgos ist Choreograf und hat das Stück „Rhythmousse-oh-lalà“ zusammen mit dem Musiker Samuel und der Tänzerin Photini Melatiadis entwickelt. Seither haben viele Kinder in Tagesstätten und Grundschulen das Stück gesehen. Jetzt kommen die Kinder der ersten und zweiten Klasse herein und staunen, wie sich ihre Turnhalle verändert hat. Sie können unmöglich ahnen, was sie erwartet.
Wie Bohnen und Salzstreuer klingen
Vor ihren Augen stehen Theano und Samuel in einer kleinen Küche und kochen. Der Salzstreuer rasselt einen Takt. Die Bohnen, die in die Schüssel purzeln, ergeben eine Melodie – oder ist das Einbildung? Spätestens als Musik durch die Halle schallt und Theano anfängt zu tanzen, wissen die Kinder: Nein, keine Einbildung. Da ist ein Takt.
„Wir entdecken bei jeder Vorstellung neue Dinge und entwickeln das Stück weiter.“
Theano Makariou-Kanonis
Sie sehen, wie sich Samuel und Theano gegenseitig in die Schürze helfen. Wie Samuel den Streuer zugeworfen bekommt, ihn nicht fangen kann, aber trotzdem weitermacht. Wie Theano ein bunter Becher wegrutscht und sie daraus ein Spiel entwickelt. Die beiden messen ihre Kräfte, schleichen sich heran, erschrecken sich, bewegen sich mal schnell, mal in Zeitlupe. Dabei behalten sie immer die Kinder im Blick, verbünden sich und lassen das Publikum auf diese Weise mitspielen.
Die Dinge um sie herum klingen, weil Theano und Samuel sie zum Klingen bringen. Auch ihre eigenen Körper werden zu Klangkörpern – ohne ein einziges Wort. Sie summen, trällern und machen Geräusche. In Kombination mit einer starken Mimik können alle sie verstehen. Die Kinder kichern und schreien auf, recken ihre Köpfe, wippen zum Klang der Küche und können ihre Hände dabei nicht stillhalten. Ihre Fantasie ist so richtig angekurbelt.
Füße stampfen, Finger schnipsen
Jetzt wollen sie mitmachen und ausprobieren, wie es sich anfühlt. Das können sie sofort. Aus dem Applaus kitzeln Samuel und Theano gekonnt einen Rhythmus heraus. Zum Klatschen gesellt sich das trommelnde Geräusch stampfender Füße und das Schnipsen vieler Finger. Die beiden bringen die Kinder dazu, sie nachzuahmen. Jetzt ist die Hürde niedrig. Die Füßchen rennen über den Hallenboden zu Samuel und Theano. Die Kinder sind neugierig.
Das TanztheaterMobil macht es ihnen leicht, sich anders zu bewegen, als sie es kennen. Ganz egal, wo sie herkommen und was sie mögen, ganz egal, ob sie Jungen sind oder Mädchen, ganz egal, ob sie sich jemals zuvor zu Musik bewegt haben oder nicht. Denn Bewegung zusammen mit Musik gibt ihnen ein Gefühl für ihren Körper. Das ist wichtig, um sich selbst kennenzulernen. Mit einem guten Gefühl für sich selbst ist es leichter, den eigenen Weg zu finden.
„Wenn du mit einem Plastikbecher Musik machst, ist da erst nur ein ‚Plock‘ — aber dann gibt es tausende Klänge zu entdecken.“
Samuel Reissen
Yorgos spinnt den roten Faden
Yorgos hatte 2014 die Idee, das TanztheaterMobil zu gründen. Um junge Zuschauer neugierig auf das Tanzen zu machen und ihnen Vorbilder zu geben. Um sie für die Kreativität zu begeistern, im Alltag Rhythmen zu finden. Er ist der Choreograf. Das bedeutet, er überlegt sich eine Geschichte, die mit der Welt der Kinder zu tun hat und erzählt diese mit Bewegungen in einem Raum. Streit und Spiel mit Geschwistern oder Freund:innen zum Beispiel. Oder ein Zoo mit Tieren, die vor einer Aufgabe stehen. Oder ein Kind, das abends ins Bett gehen soll, aber noch gar nicht müde ist.
Zu diesen Geschichten findet er gemeinsam mit den Performer:innen die passenden Bewegungen. Dabei verliert er den roten Faden nicht aus den Augen und achtet darauf, dass die Geschichte spannend wird, so dass die Kinder mitfiebern können. Ihm ist wichtig, dass sie sich wiederfinden in den Figuren auf der Bühne. Um Noten oder um eine gute Leistung soll es nicht gehen. Sondern darum, die Perspektive zu wechseln. „Seid kreativ, traut euch, probiert etwas aus“: Das ist die Botschaft – und die Kinder verstehen sie.
Das TanztheaterMobil
Yorgos hat bisher gemeinsam mit einem Team von verschiedenen Künstler:innen zehn Tanztheaterstücke geschaffen, davon auch einige für Jugendliche und Erwachsene. Das TanztheaterMobil ist ein Projekt des Vereins CulturBazar. Weil er es den jungen Menschen bei der Vorstellung und der anschließenden Veranstaltung möglich macht, Tanz zu erleben, hat der Verein im letzten Jahr im Rahmen des Deutschen Tanzpreises eine Auszeichnung vom Dachverband Tanz erhalten.
Kontakt:
CulturBazar e. V.
Telefon 0241 23293
info@tanztheatermobil.de
1 Kommentar
Einfach nur großartig 👍😊