Michael Leuchner ist Klimawissenschaftler an der RWTH. Hier erklärt er, wie sich die Klimaerwärmung auf die Stadt auswirkt und wie Öcher:innen damit umgehen können. Und er beantwortet die Frage, ob das Wetter in Aachen wirklich so schlecht ist, wie alle sagen.
Wie macht sich der Klimawandel in Aachen bemerkbar?
Zunächst ganz einfach: Es wird wärmer. Die letzten rund 150 Jahre – seit wir Menschen sehr viel Kohle, Öl und Gas verbrennen – steigt die Temperatur im Durchschnitt weltweit. Natürlich auch in Aachen. Mit unserer eigenen Wetterstation auf der Hörn maßen wir zum Beispiel im Jahr 2019 den höchsten Temperaturwert in der Geschichte Aachens: 40 Grad Celsius. Den Klimawandel kannst du auch sehen, wenn du in die Eifel fährst: Hier sind die Fichten in keinem guten Zustand; unter anderem, weil es in den letzten Jahren oft trocken war. Und sogar vom Weltall aus ist der Klimawandel in Aachen zu erkennen.
Wie geht das vom Weltall aus?
Unser Team schaut mit Satelliten auf die Erde. Mit speziellen Verfahren messen wir per Satellit, wie gut es den Pflanzen geht: Sind sie grün und vital? Oder sind sie braun, trocken und ausgelaugt? Eine Forschungsgruppe an der RWTH untersuchte diese Daten für Aachen und Düren. Wir sehen, dass es unseren Pflanzen seit 2012 in den Sommermonaten tendenziell immer schlechter geht.
Lässt sich das kommende Klima für Aachen voraussagen?
Mein Team und ich haben im letzten Jahr eine Studie veröffentlicht. Darin untersuchen wir unter anderem, wie sich das Klima im Rheinischen Revier, also auch in der Region Aachen, bis zum Jahre 2100 entwickeln wird. Das ist eine Projektion, das heißt, sie beruht auf Annahmen. Wir halten diese Annahmen für realistisch. Doch die Zukunft exakt vorhersagen können wir natürlich nicht.
„Die Stadt sollte sich auf das veränderte Klima und Extremwetter vorbereiten.“
Michael Leuchner
Was besagt eure Studie für Aachen in 70 bis 80 Jahren?
Es wird 32 sommerliche Tage mehr im Jahr geben als heute und heißer sein. Wir erwarten elf Hitzetage mehr im Jahr – das sind Tage mit einer Lufttemperatur über 30 Grad Celsius. Es wird entsprechend auch mehr sogenannte tropische Nächte geben. Tropisch sind Nächte, in denen die Hitze nicht runterkommt und über 20 Grad bleibt. Außerdem wird es im Sommerhalbjahr trockener, also genau dann, wenn Pflanzen das Wasser für ihr Wachstum am dringendsten brauchen. Im Winterhalbjahr hingegen wird deutlich mehr Regen fallen als heute. Das heißt, der Regen verteilt sich ganz anders übers Jahr. Es wird weniger oft regnen. Aber wenn es regnet, dann fällt mehr Wasser. Sogenannte Extremwetterereignisse nehmen zu: Dürre, Starkregen mit Überflutungen und Hitze.
Okay, aber wie kann ich mir das künftige Aachener Klima vorstellen?
Damit man sich die Veränderung besser vorstellen kann, haben wir sogenannte Klima-analoge Städte bestimmt. Das sind Städte, in denen heute das Klima ungefähr so ist, wie es in 80 Jahren in Aachen zu erwarten ist. 2100 könnte das Klima in Aachen in etwa so sein, wie heute im spanischen Bilbao oder in Florenz in Italien.
Klingt ganz okay. In Florenz kann man ja gut leben …
Vorsicht! Das stimmt zwar, aber du musst bedenken, dass die Veränderung schnell verläuft und vieles in Florenz anders funktioniert als bei uns. Zum Beispiel die Kanalisation, die Wasserversorgung, die Landwirtschaft, die Stadtarchitektur. Da muss sich unsere Stadt anpassen und sich auf Extremwetter wie Hitze, Dürre oder Starkregen vorbereiten. Ich gebe dir ein kleines Beispiel: In südlichen Städten gibt es viele Frischwasserbrunnen. Dort können die Menschen in den heißen Sommern trinken. Solche Dinge sollten wir uns von Florenz und Bilbao abschauen und schon heute damit beginnen, Aachen zu verändern. Genau zu diesem Zweck haben wir die Klima-analogen Städte bestimmt.
Was bedeutet das für die Pflanzen?
Die aktuelle Pflanzenwelt, insbesondere die Wälder, werden sich in 50 bis 80 Jahren kaum oder gar nicht an das neue Klima anpassen können. Was das dann genau bedeutet, wissen wir nicht.
Was also sollte Aachen tun, um die Stadt auf den Klimawandel vorzubereiten?
Jeder Baum, der gepflanzt wird, ob im Park oder im Forst, wächst buchstäblich in ein anderes Klima hinein. Wir brauchen – dort, wo wir es beeinflussen können – eine andere Pflanzenwelt als heute, die besser mit dem neuen Klima klarkommt. Das betrifft auch die Landwirtschaft. Die Bauern im Aachener Umland können sich anschauen, was die Landwirte in Italien und Spanien machen: Welche Sorten bauen sie an? Wie ist die Fruchtfolge, wie bewässern sie? Ebenfalls wird es eine große Aufgabe sein, die städtischen Gebiete auf die heißen, trockenen Sommer vorzubereiten.
Was sollte sich in der Stadt verändern?
Es gibt viele Ansatzpunkte. Häuser können weiß gestrichen sein wie etwa in Griechenland, damit die Wände weniger Hitze aufnehmen. Die Stadt sollte mehr Schatten bieten. Kühlende Teiche und Bäche wären gut. Aber das Allerwichtigste ist: Wir brauchen mehr Grünflächen in Aachen. Wiesen, Gewässer mit Uferstreifen, Parks, Bäume, Rasen und so weiter. Das kühlt die Umgebung und speichert das Wasser bei Überschwemmungen.
Wie geht es den Pflanzen?
Ein Forscherteam der RWTH schaut sich mit Satelliten an, wie es den Pflanzen in den Regionen Aachen, Düren und Jülich und in der Eifel geht. Im Sommer 2013 (links) ging es den meisten Pflanzen noch ganz gut, im Hitzesommer 2018 (rechts) dagegen gar nicht mehr. Die Wissenschaftler:innen sagen, die Sommer werden immer öfter wie 2018 sein.
Und wo sollen die Grünflächen sein?
Ich weiß, die Abwägung ist im Einzelnen schwierig. Aber wo immer möglich sollten versiegelte Flächen wie Autostraßen, Parkplätze und generell große gepflasterte oder asphaltierte Plätze durch Grünflächen ersetzt werden. Der Boden nimmt dann wieder Wasser und Nährstoffe auf. Mehr Grünflächen sind meiner Meinung nach der beste Weg, um Städte auf den Klimawandel vorzubereiten. Grünflächen haben viele Vorteile für das Stadtklima, für die Erholung der Bewohner, für den Hochwasserschutz, für die Speicherung von CO2. Nachteile haben sie eigentlich keine.
Was ist denn der Unterschied zwischen Wetter und Klima?
Wetter ist einfach der gegenwärtige Zustand der Atmosphäre: Wie warm ist es, regnet es gerade oder nicht? Klima ist die Statistik des Wetters über Jahrzehnte hinweg. Es gibt einige Tage im Jahr, an denen Wetter und Temperatur in Aachen und auf Mallorca genau gleich sind. Aber jeder weiß, dass auf Mallorca ein anderes Klima herrscht als in Aachen.
In Aachen schimpft man ja gern übers Wetter. Stimmt es denn eigentlich, dass Aachen ein Regenloch ist?
Jein. Der Gesamtniederschlag, also Regen und Schnee, entspricht in Aachen sogar ziemlich genau dem Durchschnitt Deutschlands. Was allerdings anders ist: In Aachen gibt es mehr Regentage als in vielen anderen Teilen Deutschlands. Heißt: Es regnet öfter und nieselt dann eher. Das häufige Nieseln führt auch dazu, dass die Sonne seltener durchkommt als anderswo. Richtung Niederrhein wird es etwas angenehmer: weniger Regen, mehr Sonnenstunden. Falls es den einen oder anderen tröstet: Schon ein paar Kilometer Richtung Eifel ist das Wetter deutlich mieser als in der Stadt.
Wie wird das Wetter, Säule?
Weithin sichtbar auf dem Dach der städtischen Verwaltung, nahe des Hauptbahnhofs, leuchtet die Aachener Wettersäule. Sie erhält ihre Informationen direkt vom Deutschen Wetterdienst in Essen. Und wer weiß, was die Beleuchtung bedeutet, weißauch, wie das Wetter wird. So verstehst du, was dir die Säule sagt:
- blaues Licht: heiter bis wolkig und trocken
- goldgelbes Licht: bedeckt bis bewölkt, ohne Niederschlag
- weißes Licht: Niederschläge, Regen oder Schnee
- Licht leuchtet ständig: Wetter bleibt so, wie es ist
- Licht blinkt: Wetter ändert sich bald
Das Licht an am Schaft zeigt dir außerdem, ob die Temperatur bald steigt, sinkt oder gleich bleibt.
Betrieben wird die Wettersäule von der Netzleitstelle der STAWAG.