Der belgi­sche Reis­fladenEin leckeres Stück­chen Belgien

Aachener Lecker­mäul­chen lieben den belgi­schen Reis­fladen. Um zu sehen, wie er entsteht, haben wir mitten in der Nacht eine Back­stube in Hauset besucht.

Gold­gelb ist er und übersät mit dunklen Tupfen, die sich Blumen nennen. Schneidet man ihn auf, schim­mern innen­drin helle Reis­perlen. Schön saftig durch­zieht sämiger Rund­korn­reis die Milch­masse. Kenner:innen führen das Stück Fladen mit der Hand zum Mund. Das geht gut, denn der Boden und der Rand halten ihn fest, so dass das Innere nicht entkommt. Die Rede ist vom Reis­fladen. Dem belgi­schen.

Dieser schlichte Kuchen kommt ursprüng­lich aus der belgi­schen Stadt Verviers. Um 1730 herum entstanden, war er anfangs noch herz­haft, mitt­ler­weile ist er süß und wird in der gesamten Region verschmaust. Auch vor Grenzen macht er nicht halt – viele Aachener ziehen den schlichten ostbel­gi­schen Fladen der Aachener Vari­ante, die mit Eischnee über­zogen ist, vor. Aber was ist das Geheimnis dieses leckeren Stücks Ostbel­gien und wie gelingt es so schmack­haft?

Vier solcher Kannen frische Rohmilch kommen in den großen Pasteu­ri­sator, der den Reis und die Milch gleich­zeitig erhitzt und rührt.
Die Eier sind roh und haben Zimmer­tem­pe­ratur. Kurz bevor die Masse in die Fladen­form kommt, rührt Léon sie unter.
Léon schau­felt den milchigen Reis mit seiner Hand in die Form mit dem Hefe­teig.

Live dabei in der belgi­schen Back­stube

Um das heraus­zu­finden, reiste unser Öcher-Team in aller Frühe nach Hauset, einem stillen Dörf­chen gleich hinter der Grenze am Aachener Stadt­rand. Hier in der Back­stube hat Léon Braun wie jede Nacht schon um halb drei das Licht ange­knipst. Er ist Bäcker­meister bei Kock­artz und leitet ein Team von 20 Bäcker:innen, Konditor:innen und solchen, die es werden wollen. Kock­artz, eine Kondi­torei und Bäckerei mit zwölf Filialen in Belgien, betreibt in Aachen das Café van den Daele am Büchel.

Der Fami­li­en­be­trieb ist seit fünf Gene­ra­tionen aktiv – jetzt ist Alex­ander Kock­artz (51) an der Reihe, sein Vater Bernd Kock­artz (76) packt auch noch oft mit an. León, der Bäcker­meister, gehört so gut wie zur Familie. Man hört ihn Sätze sagen wie „Den Reis­fladen backe ich immer noch nach dem Haus­re­zept vom Uropa“.

„Den Reis­fladen backe ich nach dem Haus­re­zept vom Uropa.“

Léon Braun

Gestern schon haben die Bäcker und Bäcke­rinnen eine Masse aus Reis und Milch vorbe­reitet. Das passiert immer einen Tag zuvor: so auch heute wieder für den nächsten Morgen. 105 Liter passen in den Pasteu­ri­sator; das ist ein großer Bottich mit einer Maschine, die erhitzen und rühren kann. Die Milch kommt in Kannen direkt vom Bauernhof.

Das ist eines der Rezept­ge­heim­nisse, denn es handelt sich um Rohmilch. Der Reis ist hell und von der Sorte Rund­korn. Im rich­tigen Verhältnis kocht und rührt die Maschine beides zwei Stunden lang. Etwa zehn Minuten bevor die Masse fertig ist, kommt der Zucker hinein, damit er nicht kara­mel­li­siert. Dann kühlt die Masse erst einmal bis zum nächsten Morgen ab, bis sie für den Ofen vorbe­reitet wird.

Léon stellt den Ofen ein: Bei 305 Grad Umluft dauert es 28 Minuten, bis der Ofen laut piept.
In der Back­stube sitzt jeder Hand­griff. Beson­ders wenn es stressig wird, hilft es, wenn alles zur rich­tigen Zeit am rich­tigen Ort ist: die Zutaten, die Ware und die Menschen.
So sieht der Reis­fladen aus, wenn er frisch aus dem Ofen kommt: Gold­gelb und mit dunklen Tupfen, die sich Blumen nennen.

Der Ofen piept, in seinem Inneren leuchten Fläden

Kurz bevor die Fläden in den Ofen kommen, rührt Léon frische Eier unter die Masse. Dann schau­felt er mit seiner Hand den milchigen Reis in eine Form, die mit einem dünnen, zucker­losen Hefe­teig ausge­legt ist. Léon hat kräf­tige Hände, er schau­felt zweimal für einen Fladen. Die Form ist jetzt fertig gefüllt und kommt in ein Regal mit weiteren Fladen­formen, das Léon dann durch die riesige Öffnung in den Ofen schiebt. 28 Minuten später piept der Ofen laut. In seiner Kammer, 305 Grad heiß, leuchten in Reihen und Etagen Reisf­läden.

Léon muss jetzt nach­sehen, ob sie schon fertig sind. Er öffnet die Ofentür und rollt das Back­regal heraus. Dann mustert er die Reisf­läden und legt seine flache Hand auf einen von ihnen. Er drückt sanft nach unten, die Ober­fläche gibt leicht nach. Schon mal gut! Aber sie beult sich nicht so schnell zurück, wie Léon es will.


Milch


Reis


Eier

Backen
und Lagern

Backen
und Lagern

Das Regal muss deshalb für eine Minute nochmal zurück in die Hitze. Die Uhr ist gestellt, dann piept es erneut und Léon wieder­holt seinen Hand­test. Jetzt ist er zufrieden. Die Fladen dürfen abkühlen und die Back­stube mit Duft erfüllen. 200 Stück backt Kock­artz heute. Davon gehen knapp 40 Prozent in deut­sche Bäcke­reien, auf Märkte und in das Café van den Daele.

Fladen probieren im Café van den Daele

Im Café van den Daele in der Aachener Innen­stadt treffen wir später am Nach­mittag Bernd und Alex­ander Kock­artz, um mit ihnen zusammen einen Reis­fladen zu probieren. Einen von denen, die heute früh Léons Quali­täts­kon­trolle bestanden haben. Er hält sich noch immer prächtig.

Alex­ander und sein Vater Bernd probieren den Reis­fladen in ihrem Café van den Daele am Büchel.
Das histo­ri­sche Café von den Daele auf dem Büchel ist sehr verwin­kelt.
Schneidet man den Fladen auf, schim­mert der saftige Reis, genau richtig weich und knackig.

Bernd ist Somme­lier und kann daher gut mit Worten beschreiben, wie etwas schmeckt: „Das Wich­tigste ist, dass dieser Reis­faden mit frischer Rohmilch von der Kuh gemacht ist, denn dadurch kommt es zu einem besseren Geschmack und der rich­tigen Saftig­keit. Man sollte auch den Vanil­le­ge­schmack leicht raus­schme­cken und die Körner dürfen nicht ganz weich, sondern müssen noch etwas knackig sein. Genau richtig weich und knackig zusammen. Nach einem kleinen Stück Reis­fladen sollte man noch Lust und Hunger haben auf das nächste.“

Das Grund­re­zept entwi­ckelte schon Bernds Groß­vater. Bernd hat aller­dings später ein wenig an den Zutaten geschraubt. Seitdem ist im Reis­fladen kein Zimt mehr, weniger Zucker und die Koch­zeit ist auch etwas kürzer als damals.

„Seit die Grenzen weg sind, sind wir eh eine große Gemein­schaft.“

Alex­ander Kock­artz

Aller­dings ist es aber auch immer abhängig von der Tages­form, wie gut ein Produkt wird. Der Fett­ge­halt der Milch kann leicht schwanken, je nach Jahres­zeit unter­scheiden sich Tempe­ratur und Luft­feuch­tig­keit auch in der Back­stube und die Menschen, die backen, sind eben Menschen – es gibt viele Gründe für kleine Abwei­chungen. Alex­ander vergleicht das mit einer ganz alltäg­li­chen Situa­tion: „Du bist ja auch nicht jeden Morgen gut gelaunt und happy, wenn du aufwachst. Genauso ist das auch mit dem Reis­fladen.“

Eine Frage brennt uns noch unter den Nägeln: Ist der belgi­sche Reis­fladen nur echt, wenn er in Belgien geba­cken wurde? Alex­an­ders Antwort ist eindeutig: „Ja! Eigent­lich müsste das deut­sche Produkt ‚Reis­fladen nach belgi­scher Art‘ heißen. Aber da wollen wir mal nicht so sein. Seit die Grenzen weg sind, sind wir eh eine große Gemein­schaft. Mit unserem Rezept kriegt man den Reis­fladen in Aachen hin.“


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2 Kommentare

Gelesen hatte ich den Artikel schon und hoffte nun auf ein Rezept. Leider kam das nicht.
Jetzt muss ich doch wieder das Öcher Koch­buch nehmen.

Liebe Frau Erger!
Wir haben den Herren Kock­artz die wesent­li­chen Geheim­nisse zu ihrem Rezept entlo­cken können. Die decken Sie hier im Artikel auf. Was fehlt, sind die Mengen­an­gaben. Aber da die Bäckerei ohnehin in großem Maßstab denkt und backt, ist das relativ. Viel Freude beim Nach­ba­cken!

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