Das Klima ändert sich. Das setzt auch den Bäumen in unserer Stadt zu. Weil sie aber entscheidend sind für die Lebensqualität, sucht Landschaftsarchitektin Delia Bittner für Aachen nach robusten Arten.
Wir lehnen unsere Fahrräder an sie und auch mal uns selbst. Wir verbringen unsere Mittagspausen in ihrem Schatten und andere freie Minuten. Wir betrachten ihre Blüten im Frühling, ihre Blätter im Herbst. Sie speichern und reinigen das Regenwasser. Sie kühlen damit unsere Luft und säubern sie, indem sie Kohlendioxid speichern. Sie bieten Insekten ein Zuhause und sorgen so für Vielfalt. Stadtmenschen brauchen Stadtbäume – wegen des Klimawandels mehr denn je. Doch der versetzt auch die heimischen Gehölze in Not.
Der Klimawandel verändert das Wetter. Was das bedeutet, zeigte uns das vergangene Jahr: Schneefälle und Eisregen im Februar, der kälteste April seit 1977, gefolgt von Hitze und Unwettern im Sommer. Unter den Wetterextremen leiden die Bäume. Dazu kommen noch Schädlinge, die sich in dem veränderten Klima wohlfühlen und heimische Baumarten befallen.
Die tiefwurzelnde Esskastanie
Turmstraße
Städte brauchen also neue Bäume. Genauer: Bäume, die den Wetterextremen trotzen und das Klima erträglich halten. Delia Bittner findet sie für Aachen. Sie ist Expertin für Stadtbäume und erforscht im Fachbereich Klima und Umwelt der Stadt Aachen, was Bäume für uns Menschen und das Ökosystem tun. Und Delia kümmert sich darum, dass Aachens Baumbestand für die Zukunft gut aufgestellt ist. Eine Zukunft, in der das Wetter jedes Jahr so sein wird wie 2021 – oder extremer. Delia sagt: „Wenn wir Bäume nachpflanzen, weil sie beispielsweise wegen Schädlingsbefall eingehen, können wir jetzt nicht mehr einfach nochmal dieselbe Baumart nehmen. Neue Bäume müssen an das veränderte Klima angepasst sein.“
Die hängehaltende Kobushi-Magnolie
Schlossstraße
Manche Arten haben bereits bewiesen, dass sie einiges vertragen. Da sind zum Beispiel die Kobushi-Magnolie, die Silberlinde oder die Esskastanie (siehe Abbildungen). Aber das sind noch lange nicht alle Baumarten, die sich grundsätzlich für die städtische Zukunft eignen. Delia hat auch schon gute Erfahrungen gemacht mit der Hainbuche, die Überschwemmungen verträgt, oder mit dem Amberbaum, der kaum Ansprüche an den Boden stellt. Auf ihrer Zukunftsbaum-Liste stehen außerdem der wärmeliebende Eisenholzbaum und die besonders zähe Zerreiche. „Wir pflanzen in Aachen eine bunte Mischung nach“, sagt Delia. Dabei muss sie eine Menge berücksichtigen. Ungiftig müssen alle Stadtbäume sein. Aber welche Eigenschaften ein Baum noch braucht, damit Delia ihn auswählt, hängt vor allem davon ab, wo er stehen soll: „An der Straße sind die Bäume anderen und deutlich mehr Stresssituationen ausgesetzt als in Parks.“
Die hitzeliebende Silberlinde
Seffenter Weg
Die Frage ist also: Soll der Baum an einer Straße stehen oder auf einem städtischen Platz? Muss der Baum schlank sein, weil das Beet für den Baum klein ist? Wie kommt der Baum mit Streusalz im Winter klar? Wächst er so hoch, dass er trotz der Gebäude drum herum genug Licht bekommt? Sind viele Hunde unterwegs, die das Bein am Stamm heben und ihn mit ihrem Urin schädigen? Gibt es Fahrradständer oder braucht der Baum eine Umgrenzung, die ihn schützt? Fällt sein Laub im Herbst auf einen Radweg? Zusätzlich prüft Delia kulturelle Faktoren: Was gefällt den Aachener:innen? Soll der Baum sich besonders hübsch färben im Herbst oder blühen im Frühling? Und eben immer die wichtigste Frage: Kommt der Baum mit Hitze, Trockenheit, Hochwasser und Temperaturschwankungen zurecht?
„Wir werden einen kompletten Wechsel der Bäume in unserer Stadt erleben.“
Delia Bittner
Um passende Baumarten zu finden, greift Delia vor allem auf die wissenschaftlichen Daten zurück, die es schon gibt. Und auf logische Schlüsse: „Wenn ein Baum zum Beispiel aus Asien kommt, konnte er seine Rinde, seine Wurzeln, seine Blätter schon über viele Jahre an Hitze anpassen.“ Weil heimische Bäume diese Chance nicht hatten, werden sie immer weniger. Delia geht davon aus, dass es die Schwarzpappel oder die Flatterulme in Aachen irgendwann nicht mehr geben wird: „Wir werden langfristig einen kompletten Wechsel der Bäume erleben. Das wird sich auch auf die heimische Tierwelt auswirken. Vieles werden wir erst im Lauf der Klimaänderungen herausfinden.“
Wer in seinem Privatgarten etwas zum grünen Rüstzeug für die Zukunft beitragen möchte, dem rät Delia, darauf zu achten, dass die Pflanzen sich für Insekten eignen und beim Wetter hart im Nehmen sind. Außerdem kann jede:r den Stress für alte Stadtbäume reduzieren. Indem weniger Autos fahren zum Beispiel. Trotz neuer Bäume ist es wichtig, die alten Bestände zu schützen. Denn ein alter Baum ist meist groß: ein perfekter Wasser- und Kohlendioxidspeicher. Und seine Krone wirft viel Schatten. Schatten, in dem wir uns an einem heißen Sommertag wohlfühlen.